Wir sind dir nahe
Wir sind dir nahe
von Hans-Martin Große-Oetringhaus

Wir heißen Vinod und Nayendra
Maria,Alfredo,Fatima,Thong und Sarah.
Wir haben viele Namen.
Wir sind Kinder.
Wir leben weit fort von dir.
In Afrika
In Asien
In Lateinamerika
Zwischen dir und uns ist ein weiter Weg.
So weit,
dass wir uns nie begegnen werden.
Und doch sind wir dir nahe.

Wir sind dir Nahe,
wenn du mit deinen Füßen
über einen weichen Teppich gehst.
Knoten um Knoten
haben wir geknüpft.
Bis in die Nacht hinein.
Der feine Wollstaub setzte sich in unseren Lungen fest.
Lohn bekamen wir kaum,dafür um so mehr Schläge.

Wir sind dir Nahe,
wenn du deinen Kassettenrekorder einschaltest.
Denn die Chips,
diese verfluchten Kleinen Dinger
haben wir zusammengesetzt
bei schlechtem Licht,
bis uns die Augen weh taten.

Wir sind dir nahe,
wenn du eine Konservendose öffnest.
Denn das Zinn für die Dose
haben wir
in einem dunklen Stollen
aus dem Fels geschlagen
und auf unseren Rücken ans
Tageslicht geschleppt

Wir sind dir nahe,
wenn du ein Stück Fleisch isst.
Denn das Sojamehl,
mit dem das Rind gefüttert wurde,
wuchs auf einem Feld,
auf dem Mais und Gemüse für uns hätte wachsen können.

Wir sind dir nahe,
wenn du eine Banane schälst.
Denn unser Vater hat sie gepflückt,
aber dafür nur so wenig Lohn erhalten,
dass es zum Leben nicht reicht.
Darum müssen wir mithelfen und können keine Schule besuchen.

Wir sind dir nahe,
Ganz oft.
Ohne,dass du es weißt.
Wir sind dir nahe,wenn du dir einen Wunsch erfüllst,
Denn viele Wünsche kannst du dir nur erfüllen,
weil wir sie uns nicht erfüllen können.

Wir sind dir nahe.